Roberto Fonseca

Künstler

Roberto Fonseca

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Tastengenie Roberto Fonseca ist einer der Wortführer einer neuen, jungen kubanischen Kultur, die Isolation ablehnt, die weltläufig ist und neugierig, aber auch stolz auf karibisches Leben. Fonseca selbst hat seinerseits schon viel für diese ureigene kubanische Kultur getan. Mit gerade mal Mitte Dreißig gilt er schon jetzt als wohl größter Pianist des Landes, mit dem Zeug, der alten Tradition karibischer Musik seinen persönlichen Stempel aufzudrücken.
Als 2001 Rubén Gonzáles seinen Rückzug aus der Allstar-Formation des Orchesters Ibrahim Ferrers bekannt gab, da erschien eine Nachfolgeregelung ähnlich schwierig wie die Wahl eines neuen Papstes. Denn Gonzáles repräsentierte immerhin über 50 Jahre Musiktradition. Doch dann, das Land erstarrte in Schrecken und Freude, präsentierte man einen 26jährigen Jungspund, der eher aussah wie ein amerikanischer Rapper, als neuen König. Auftritt Roberto Fonseca. Das sollte einmal bei einer Papstwahl passieren.
Fonseca selbst nahm die Bürde mit gelassener Grandezza, wozu er auch allen Grund hatte, denn schon vor diesem Erlebnis war er beileibe kein Niemand. Mit 15 war er schon beim International Jazz Plaza Festival aufgetreten und hatte Publikum wie auch Fachkollegen begeistert, was ihn würdigen Gonzáles-Nachfolger und Begleiter der Buena-Vista-Stars qualifizierte. Er spielte mehr als 400 Shows mit Ferrer und Omara Portuondo, und produzierte auch Ferrers letztes Album, die legendären „Mi Sueños, das seitdem wie ein großer Orden an seiner Brust hängt. Doch ansonsten ist er ganz er selbst, sucht sich seinen eigenen Weg, greift vom perkussiven afrokubanischen Son über auf Jazz, Jungle, Drum’n’Bass und Soul, und hat dabei ungeheuren Spaß. Manchmal scheint Keith Jarrett neben ihm zu sitzen, wenn er – wenngleich weitaus rhythmischer als dieser – während des Spiels fast in das Klavier kriecht und jeden Klang begeistert mitsummt. Da lacht das Leben.

Yesun ist das Album, das ich schon immer machen wollte“ so Fonseca über sein neues, mittlerweile neuntes Soloalbum, das Jazz, klassische Musik, Rap, Funk, Reggaeton und Electronica miteinander verbindet, und weiter sagt der aus Havanna stammende Künstler, der in diesem Jahr mit dem höchsten französischen Orden für Kultur ausgezeichnet wurde: „all meine Einflüsse sind da. All die Sounds und Vibes, die mich zu dem machen, was ich bin.“ Die zwölf Stücke des Albums wurden von einem Trio eingespielt, das neben Fonseca selbst aus Schlagzeuger Raúl Herrera und Kontrabassist Yandy Martínez besteht. Als Gäste sind der US-amerikanische Saxophonist Joe Lovano, der französisch-libanesische Trompeter Ibrahim Maalouf, die kubanische Rapperin und Sängerin Danay Suarez und die Bolero-Diva Mercedes Cortés dabei. Mehr noch als das Vorgängeralbum ABUC, das mit mehr als dreißig Gastmusikern die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der kaleidoskopisch anmutenden kubanischen Musik erzählte, vertieft sich Yesun noch weiter in die Musik aus Fonsecas Heimatland Kuba und behält dabei die Zukunft durch das Verweben von Beats, Spoken Word und analogen Keyboards mit Fonsecas sonorer Stimme immer fest im Blick. Mit der Tradition brechen.

Präzedenzfälle schaffen. Grenzen niederreißen.

„Ich möchte ein Kuba ohne Grenzen präsentieren“ sagt Fonseca und weiter: „Ich versuche Brücken zwischen meinen afrokubanischen Wurzeln und anderen Musikstilen zu bauen und mache einige der von mir so geliebten verrückten Sachen live. Ich bringe Ideen mit, die ich über viele Jahre auf Tournee in der ganzen Welt absorbiert habe.“ Die kubanische Musik erlebte in den letzten dreißig Jahren eine Renaissance und trotz seiner noch relativ jungen Jahre steht der am renommierten Instituto Superior de Arte ausgebildete Fonseca schon seit 1990, als er im Alter von fünfzehn Jahren sein Solodebüt gab, mit an der Spitze dieser Bewegung. Sowohl seine Soloalben und –tourneen, im Rahmen derer er u.a. die Kölner Philharmonie und die Elbphilharmonie ausverkauft hat, wie auch seine Beteiligung am legendären Buena Vista Social Club ab den frühen 2000er Jahren und seine späteren Tourneen mit Ibrahim Ferrer oder Omara Portuondo legen Zeugnis davon ab. Drei Soloalben hatte er schon vor seiner Zeit beim Buena Vista Social Club veröffentlicht; 2007 zeigte er mit seinem Album Zamazu dann deutlich sein großes Talent als Komponist und live auftretender Künstler. Auf dem 2012 für einen Grammy nominierten Album Yo waren Gäste wie Fatoumata Diawara dabei, mit der Fonseca später nochmals live zusammenarbeiten würde. 2016 wurde er zum künstlerischen Leiter des Jazz Plaza Festivals in Santiago de Cuba ernannt und 2019 folgte die Auszeichnung mit dem Ordre des Arts et des Lettres des französischen Kulturministers. Fonsecas Ziele bleiben trotz dieser großen Ehrungen bescheiden: „Ich versuche ein besserer Musiker zu werden, also übe, komponiere, experimentiere ich immerzu. Ich betrete gerne Neuland.“

Der Albumtitel Yesun ist ein Wortspiel und symbolisiert das Wasser: Wasser aus den Quellen der afrokubanischen Geschichte dargereicht mit modernen, nach vorne schauenden Drehungen und Wendungen. So wie das lebensspendende Wasser einen weiten Einflussbereich und eine gestaltverändernde Macht hat, fließt Fonsecas Musik von Altem zum Neuen, stellt sich dabei vielen Herausforderungen und wirkt mit seinen Genregrenzen sprengenden musikalischen Abenteuern und seinem Erfolg außerhalb Kubas ein Wegbereiter für die jungen Musiker im Land. Fonsecas unverwechselbare Handschrift prägt mit seinem durchdringenden Sinn für Form, Rhythmus und Melodie sowie den immer ideenreichen und aussagekräftigen Kompositionen das Album. Der größere Raum, der in Fonsecas Soli hörbar ist, ist agil und zart hier, perkussiv und kraftvoll dort und erfüllt von Gedankenreichtum, Gefühl und einem klaren Ziel vor Augen. „Wenn man jung ist, will man alles sagen und spielt zu viele Noten“ so Fonseca. „Jetzt, wo ich selbstsicherer in meinem Spiel bin, habe ich erkannt, dass der beste Weg, mit so vielen Menschen wie möglich zu kommunizieren ist, ihnen den Raum zu geben, dich zu verstehen.“ Unter den Stücken des Albums sind Tracks wie „La Ilamada“ („The Call“) mit seinem vorwärts treibenden Klavier, den Tempowechseln und den engelsgleichen Stimmen des Frauenquartetts Gema 4. „Kachucha“ pulsiert nur so mit afrozentristischem Stolz und mischt drängende Rhythmen (Rumba, Mambo, Cha Cha) mit Klangeffekten, tiefem Bariton-Vocalese, der direkt aus dem Bauch eines Sklavenschiffs zu kommen scheint, und Ibrahim Maaloufs befreiendem Trompetenspiel. „Cadenas“ beginnt im Prog-Rock-Stil, bevor mit einem Tempowechsel ein Cha-Cha-Vibe, gesungene Ermahnungen und Realitätscheck-Spoken Word von Danay Suarez darüber, wie wichtig es ist, für seine Seele zu kämpfen, folgen. „Por Ti“ ist ein klassisch komponiertes Stück: „60  Prozent meines Sounds ist von der Klassik beeinflusst. Mozart, Chopin, Beethoven, Rachmaninow, Scriabin, Grieg, Béla Bartók” so Fonseca. „Aggua“ wiederum lädt zur Party ein und verbindet Mambo und Rumba mit HipHop, Reggaeton, Electronica und wohl auch einer Prise göttlichem Segen. In „Motown“ zeigt das Trio seine bemerkenswert telepathische Weise miteinander zu kommunizieren. Der Song enthält ein feuriges Moog-Solo à la 1970er Headhunters, und bei „Stone of Hope“ singt Fonseca im Bossa Nova-Stil über ein Bass-Looping, das an die Yambú-Form der kubanischen Rumba erinnert. „Auf dem Album ist sehr viel kubanische Musik“ so Fonseca, „aber nicht die üblichen Maracas- und Zigarren-Clichés, sondern der tiefgehende Stoff, der moderne und aneckende Kram. Die Musik meines Kubas.“ Der aufrüttelnde Straßenchor in „Vivo“ besteht aus den Stimmen von Fonseca, Herrera und Martínez und ist auf eine Weise aufgenommen, als ob sie in einem Barrio an einer Ecke stehen, die Beats sich ausbreiten, die Riffs fallen und Joe Lovanos Saxophon seinen Klang um sie herum entfaltet. „OO“ ist Fonsecas „rebellischster Track“ so der Künstler mit einem Grinsen – er ist eine psychedelische Jazz-Funk-Exkursion ohne erkennbare kubanische Elemente. „Mambo pa la Nina“ ist im Gegensatz dazu ein glücklich-verrückt anmutender Mambo, der von moderner Electronica sowie alten Moogs und einer Hammondorgel angetrieben wird. „Ich habe diese analogen Sounds schon immer geliebt. Ich wuchs damit auf, Menschen wie Herbie Hancock und Joe Zawinul dabei zuzuhören, wie sie ihr Wissen über Harmonien in ihre Keyboards schütteten und dabei eine Mischung aus Sanftheit, Stärke und Spiritualität fanden.“ Im Stück „Ocha“ besinnt sich Fonseca wieder auf seine afrokubanischen Wurzeln und führt darin weitere Clichés ad absurdum. „No soy de esos“ ist ein melodisches Instrumental voller Sensibilität und Substanz und das letzte, die Rumba-Ikone Carlos Embale samplende Stück „Clave“ ein funky Lobgesang auf die Grundmuster der afrokubanischen Musik und ihre schier endlosen Möglichkeiten.

Yesun also: ein Album eines weltweit erfolgreichen kubanischen Virtuosen, der Musik auf seine ganz eigene Art macht und die kubanische Musik modernisieren will. „Meine Kultur ist stark und unterschiedlich genug, dass ich Sounds auf eine andere Weise nutzen kann. Ich kann Risiken eingehen und Dinge aufmischen; Vorwärts gehen, immer vorwärts, ohne jemals meine Wurzeln zu vergessen. Yesun ist ich. Yesun ist, wer ich bin“.